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Quarantäne Leben – Roksan M.

Lues a lues schénge mer engem normalen Alldag erëm méi no ze kommen.

Déi lescht Méint waren net ëmmer einfach an hunn oft zum Denken ugereegt. An dësem Artikel beschreift d’Roksan an e puer beandrockenden Zeilen, d’Erliewe vum Liewen an der Quarantän.  Liest selwer…

Quarantäne Leben

Man sitzt im Zimmer, starrt aus dem Fenster raus in die Welt. Die Sonne lächelt einem entgegen, lässt den Raum in strahlend goldenem Licht erscheinen.

Man denkt an alles und an nichts, an jeden und an keinen, an Aufgaben und Belanglosigkeiten und Witze und tiefgründige Filme.

Man denkt zurück an die letzten Wochen. Denkt an E-Mails, die man las und Schulaufgaben, die man erledigte und Aufrufe und Mahnungen der Lehrer, die man ignorierte. Man hatte alle Zeit der Welt und doch keine. Zeit wurde von der ständigen Begleiterscheinung zum vagen Konzept, zur Idee. Minuten und Stunden und Wochen flossen ineinander zu einer Abfolge von Tag und Nacht. Man weiß nicht mehr, welcher Tag es ist. Es scheint als ob jeder Tag Mittwoch ist, nicht Anfang der Woche und nicht Ende, nein, man hat schon einiges erlebt. Es haben sich nur schwache Wochenendgefühle eingestellt.

“Social distancing” nennen sie es. Man darf sich mit niemandem treffen. Darf andere weder umarmen noch die Hand geben, muss zwei Meter Abstand halten. Man sieht seine Freunde nicht, darf sich nicht mit ihnen treffen. Die Schulen sind geschlossen und nur noch Lebensmittelläden und Apotheken sind geöffnet.

Überschaubar, einfach, fad.

Der Premierminister spricht im Radio, ermahnt seine Bürger aufgeregt, dass das Horten von Lebensmitteln nicht die Lösung des Problems sei. „Bleibt zu Hause!“, ruft er dramatisch ins Mikrofon. Man hört ihm die Besorgnis an. Die Mutter nickt zustimmend und lächelt. Man weiß nicht, ob sie es ernst meint oder nicht.

Man sieht den Ernst der Lage, hört von Leuten, die am Virus erkrankt sind und auf der Intensivstation liegen, von den steigenden Todeszahlen, findet es schrecklich und ist zugleich unberührt. Man fragt sich, ob Hysterie und Panik die Gleichen sind, wenn wir nicht unter Quarantäne gestellt worden wären. Ob wir so betroffen wären, auf der verzweifelten Suche nach einer Impfung, wenn die Epidemie an uns vorbeigezogen wäre?

Man geht raus, geht einkaufen, geht zur Apotheke, geht durch die leeren Straßen. „Rausgehen soll man noch, das ist wichtig. Das haben sie im Radio gesagt.“, ruft einem die Mutter zu, während sie sich die Schuhe zubindet. „Gut für die Moral.“, brummt der Vater, zieht sich eine Mütze über den Kopf. Sie gehen spazieren.

Man geht einkaufen, wenn man nicht mehr zu Hause sein kann, einem die Decke auf den Kopf fällt. Am Anfang waren die Geschäfte wie leer gefegt, ganze Regale ausverkauft. Als man hört, dass jegliches Toilettenpapier gekauft wurde, kriegt man einen Lachanfall, fragt sich ob eins der Symptome des Virus exzessiver Durchfall ist. Ist es nicht. Man kauft sich nur das Nötigste, Capri-Sun und eine Tüte Chips. Man geht an einem Mann vorbei, in seinem Einkaufswagen liegen zehn Pakete Nudeln, unzählige Konservenbüchsen, zwei Familienpackungen Klopapier. Man hustet sich übertrieben laut in den Ellbogen, sieht mit Genugtuung, wie sich die Augen des Mannes weiten und er eilig davon rollt. Zufriedenes Grinsen.

Wo denn die Handschuhe seien, die man zum Einkaufen gehen benutzt hat, fragt die Mutter. „Schon weggeworfen“, lügt man. Sie liegen immer noch in der Einkaufstüte, unbefleckt.

Abends trifft man sich per Videochat mit seinen Freunden, tauscht sich aus, regt sich über die abgesagten Festivals auf, schmiedet Pläne für nach der Corona Zeit.

Die meisten haben sich am Anfang beschwert, am Anfang als man noch zugehört hat. So schlimm wie die Leute sagten, fand man die Quarantäne gar nicht. Schade schon, aber schlimm? Nach einer Woche der Aufregung scheint jeder seinen Rhythmus gefunden zu haben.

Man schaut sich jeden Abend einen Film mit dem Vater an. Mit Hilfe eines Beamers hat man innerhalb von zwei Wochen die halbe Welt gesehen, hat mit Sean Connery Dokter No gejagt oder mit Pierre Brice und Lex Barker die Komantschen vertrieben.

Man merkt wie sich Prioritäten verschieben, sich Gedanken anders ordnen, wie belanglose Dinge, wie das Schauen eines Filmes zu wichtigen Pfeilern des Alltags werden. Man merkt, wie man sich fragt, ob man nicht ein neues Hobby oder eine neue Sprache lernen soll. Man tut es nicht, aber man  denkt drüber nach. Man sieht, wie andere Sport machen, fühlt sich schlecht, weil man keinen macht. Immerhin geht man ja einmal die Woche spazieren oder einkaufen.

Man weiß oft nicht, was man mit sich selbst anfangen soll und hat man vorher zu verhindern versucht, über sich selbst nachzudenken, so bleibt einem jetzt nichts anderes übrig. Ob das nun gut oder schlecht ist? Man wird sehen.

Ob vielleicht genau das die Absicht des Virus war. Ob sich Covid wohl absichtlich so weiter mutiert hat, um dem Menschen zu helfen sich selbst zu finden? Covid der Umwerfende, im wahrsten Sinne des Wortes. Nein der Gedanke scheint zu absurd, der Preis zu hoch.

Der Virus erinnert dich eher an einen machttrunkenen König, der die Welt erobern möchte. Sich von einer Epidemie zur Weltherrschaft, zur Pandemie entwickelt hat. Oder benutzt jemand den König nur?

Vielleicht ist er aber auch ein fanatischer Umweltaktivist, mit dem Ziel den Flugverkehr zu stoppen und den Ausstoß von schädlichen Gasen zu mindern, die Haifische und Delfine wieder nach Venedig zu bringen. Und vielleicht sieht man in Zukunft sogar einen Babypottwal Richtung Kautenbach schwimmen.

Vielleicht, vielleicht auch nicht.

 

Roksan Maly

Jugendhaus Wooltz